Stadtentwicklung auf dem Prüfstand!
"Handlungsprogramm zukunftsfähiges Mayen"
Mayen. In der vergangenen Woche fand ein weiterer Bürgerstammtisch der Freien Wähler Mayen statt.
Dieser befasste sich mit einem wichtigen Zukunftsthema der Stadtentwicklung (Bauen u. Wohnen in Mayen).
Breiten Raum nahm dabei auch die Rückblende auf die letzten Jahrzehnte ein. Im weiteren Verlauf des
gut besuchten Themenabends wurde die aktuelle und die zukünftige Stadtentwicklung anhand von
Zahlen und Fakten darlegt und erörtert.
Seit den 60er Jahren vollzieht sich in den alten Bundesländern ein Prozess der Suburbanisierung von
Wohnen, Einkaufen und Arbeiten, in dessen Verlauf sich städtische Strukturen immer weiter bis in die
ländlichen Raume hinein ausgebreitet haben. Und seit dieser Zeit befinden sich Kernstädte und
Umlandgemeinden im Wettbewerb vor allem um die zahlungskräftigen Eigenheimbauer. Die folgen der
Suburbanisierung sind bekannt: finanzielle Verluste der Kernstädte durch Abwanderung einkommensstarker
Haushalte, soziale Entmischung in den Kernstädten, ökologische Belastungen durch Erzeugung von
zusätzlichem Autoverkehr und nicht zuletzt durch vermehrten Landschaftsverbrauch.
Innerhalb der Kernstädte wiederum sind Standorte in sog. "integrierten" Lagen Standorten
beispielsweise am Stadtrand vorzuziehen. In Mayen gehören die Projekte Taubenberg/Hinter Burg oder
auch Auf der Muck zur ersten Kategorie: Sie schließen an einen vorhandenen Siedlungsbereich an und
liegen in der Nähe des Mayener Zentrums, d.h. die Bewohner könnten die dortige Infrastruktur nutzen,
ohne weite Wege zurücklegen zu müssen. Ein weiterer Schwerpunkt der geplanten städtebaulichen
Entwicklung ist das Barwinkeltal/Heckenberg/die Hell (verlängerte Urkelskaul) am westlichen Stadtrand
von Mayen. Dabei verdeutlicht das Projekt >Barwinkeltal< (siehe Foto) für die Freien Wähler Mayen
eindringlich das Umweltkriterien und gesetzlich vorgeschriebene ökologische Standards für eine
qualitative Stadtentwicklung immer wichtiger werden. Demgegenüber steht das oftmals von
Verwaltungen genannte Argument, mit solchen Flächenangeboten den Abwanderungstendenzen
entgegenwirken zu können.
Allerdings ist es schwierig, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen vorhandenen oder fehlenden
Flächenangeboten und nicht vollzogenen oder vollzogenen Abwanderungen nachzuweisen, denn die
Entscheidungen für oder gegen eine Abwanderung beruhen stets auf einem Bündel von Motiven.
Darüber hinaus ist die Berechnung und Prognose von Bedarfszahlen immer abhängig von zahlreichen
Annahmen, dementsprechend enthalten sie auch viele Unsicherheiten. Oftmals sind die Bedarfszahlen
auch bloße politische Zielgrößen, d.h. letztlich Angebotspolitik. Insbesondere gilt es zunehmend
die relativ sicher prognostizierbare demographische Entwicklung in Rechnung zu stellen, nach der
mittelfristig mit dramatisch sinkenden Bevölkerungszahlen zu rechnen ist. Deshalb wäre es für die
FWM wünschenswert, die Bedarfszahlen für das Barwinkeltalprojekt u.a. auf dem Stand des Jahres
2004/5 noch einmal zu überprüfen. Bei wirklichen Bedarf stellt sich dann die Frage, wie viel
Flächen und Flächen welcher Kategorie dafür in Anspruch genommen werden sollen, d.h. die Frage
des Flächenverbrauchs muss sowohl quantitativ als auch qualitativ beantwortet werden!
Damit beginnen aber auch die Argumente, die für eine programmatische Grundlegung bei der
Ausgestaltung des Flächennutzungsplanes der Stadt Mayen - Gesamtfortschreibung bis 2015
sprechen. Leider gibt es bisher in Mayen kein von den Parteien erarbeitetes städtebauliches
Gesamtkonzept. Für die Erarbeitung und Aufstellung eines solchen Handlungsprogramms sind nach
Meinung der FWM vor allem wichtig:
1. Im Durchschnitt nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland pro Tag um rund
120 ha oder 150 Fußballfelder zu. Jedes Jahr wird damit eine Fläche überbaut und
versiegelt, die größer ist als beispielsweise die Fläche der Stadt Köln oder des
Bundeslandes Bremen. Zwischen 1950 und 1997 ist in den alten Bundesländern der Anteil
der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche von 7 % auf 13,3 % gestiegen und
hat sich damit nahezu verdoppelt. Hinter diesen Zahlen verbergen sich vielfältige
Auswirkungen vor allem ökologischer Natur, die Einschränkungen anderer Nutzungen wie
etwa der Landwirtschaft und der Verlust an städtischen Erholungsräumen.
Es herrscht weitgehend Übereinstimmung darin, dass sich diese Entwicklung nicht mehr
fortsetzen darf. Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung, wie sie beispielsweise in
Bundesgesetzen wie dem Raumordnungsgesetz und dem Bundesbaugesetz im Grundsatz festgeschrieben
ist, beinhaltet einen sorgsamen und vor zukünftigen Generationen verantwortbaren Umgang mit
Flächen. Ziel eines Handlungsprogramms zukunftsfähiges Mayen muss es deshalb sein, den
Flächenverbrauch zu reduzieren sowie endlich Stadtentwicklung und Flächenverbrauch zu
entkoppeln: Zukunftssicherung in der Stadtentwicklung bedeutet dann vorrangig ein Mehr
an Qualität (statt an Quantität).
2. Damit ist ein wichtiges Kriterium gewonnen; hinzu kommen muss aber ein Maßstab, der
umfasst, zueinander in Beziehung setzt und integriert. Ein solcher Maßstab wäre ein
stadtentwicklungspolitisches Leitbild mit der Funktion einer Selbstbindung von Politik
und Verwaltung. Auch dies fehlt bisher in Mayen - und seinem bisherigen, überalterten
Flächennutzungsplan. Viele Städte haben sich in der Vergangenheit schwer getan mit der
Aufstellung von Flächennutzungsplänen, eben wegen der darin enthaltenen Selbstbindung.
Ohne einen Flächennutzungsplan oder mit einem veralteten, der sich jederzeit aufgrund
des inzwischen gewandelten Bedarfs und neuer Lebensverhältnisse leicht mit guten Gründen
ändern lässt, sind die Handlungsspielräume ohne Zweifel größer. Für die aus dem
Flächennutzungsplan zu entwickelnde Bebauungsplanung hat ein veralteter Rahmenplan
kaum noch Bedeutung, dies belegt das Beispiel Barwinkel. Bei Bedarf wird der
Flächennutzungsplan geändert, entschieden wird fallweise, ohne dass geprüft werden muss,
ob sich das einzelne Vorhaben in einen Gesamtrahmen einpasst.
3. Zukunftsfähige Planung muss immer die Betrachtung und das Abwägen von Alternativen beinhalten,
um die Risiken zu minimieren und die bestmögliche Lösung anzustreben. Dies gilt gerade
in einem so ökologisch und klimatisch sensiblen Gebiet wie dem Barwinkeltal. Bei
orhabenbezogenen Bebauungsplänen, bei denen ein Entwickler Leistungen erbringt
(Projektgesellschaft Gebig, Lionsbau u.a.) besteht darüber hinaus die Gefahr, dass
der Blick auf das >Ganze< verloren geht und Alternativen leicht aus dem Blick
geraten, besonders dann, wenn ein stadtentwicklungspolitisches Leitbild und ein aktueller
Flächennutzungsplan als Richtschnur fehlen.
Das Fazit der Freien Wähler: Der Rat der Stadt Mayen bzw. die Ratsfraktionen sollten sich zu einer
zukunftsfähigen Stadtentwicklung bekennen und deshalb Ziele und Kriterien erarbeiten und
beschließen, z.B. den sorgsamen Umgang mit Flächen. Diese Ziele, Leitlinien und Kriterien
sollten dann in die Erarbeitung eines städtebaulichen Leitbildes und einen danach gestalteten
Flächennutzungsplan münden, die den Maßstab für alle zukünftigen Projekte bilden. In einem
solchen Handlungsprogramm und einem daran orientierten Flächennutzungsplan könnten dann auch
endlich in Mayen die Leitlinien der lokalen Agenda 21 für die Praxis einer zukunftsfähigen,
weil nachhaltigen Stadtentwicklung Verbindlichkeit erlangen.
Pressemitteilung Freie Wähler Mayen 18. November 2004